Interview mit Oona Horx-Strathern

Interview mit der Trendberaterin Oona Horx-Strathern

Oona Horx-Strathern

#bodenseeinnovativ: Das Ziel von #bodenseeinnovativ ist es, Wissens- und Technologietransfer anzustoßen und regionale KMU in Innovationsvorhaben zu unterstützen und zu begleiten. Nachhaltiges strategisches Zukunftsmanagement hilft KMU sich langfristig erfolgreich auf dem Markt zu positionieren. Dabei ist die Zukunft von Unsicherheit und Unschärfe geprägt. Hinzu kommt, dass verschiedene Begriffe austauschbar verwendet werden. Häufig wird der Begriff „Trend“ benutzt. Modetrend, Technologietrend, Zukunftstrend, etc. und Unternehmen stehen vor der Herausforderung diese zu bewerten und entsprechend zu handeln, Geschäftsmodelle anzupassen, auf neue Technologien zu setzen oder Mitarbeiter umzuschulen. Mitunter entscheiden Geschäftsführer auch, sich „nicht jedem Trend zu unterwerfen“. Manchmal mit weitreichenden Folgen. Was unterscheidet denn einen Trend von einem Megatrend?

Horx-Strathern: Trends können ja alle möglichen Dimensionen und Formen annehmen: Manchmal handelt es sich um reine Mode-Behauptungen, die von entsprechenden Interessenten oder „Influencern” in die Welt gesetzt werden. Manchmal sind es Hypes, die eher aus einer Marketingabteilung stammen, aber manchmal auch durchaus seriöse Entwicklungen in der Gesellschaft. Das zu unterscheiden erfordert zunächst vor allem einen gesunden Menschenverstand, ein Gefühl für das Narrativ, das hinter jedem Trend steckt. Wer hat den Trend behauptet? Warum? Wenn man so fragt, kommt man manchmal ziemlich schnell drauf, was dahintersteckt. Oft dienen Trends ja auch nur zum Entertainment, oder weil jemand etwas verkaufen will. Wer Heimelektronik verkaufen will, wird sicher den “Smart-Home-Trend” propagieren. Aber das heißt noch nicht, dass seine Produkte auch wirklich smart sind.

#bodenseeinnovativ: Gibt es Methoden oder Mittel, die einem Geschäftsführer helfen zu entscheiden auf welchen Megatrend er oder sie setzen soll?

Horx-Strathern: Das geht nur in interaktiven Prozessen, bei denen man sich aus der eigenen Komfortposition heraus bewegt und sich mit dem beschäftigt, was man bislang eben nicht auf dem Radar hatte. Es ist ja so, dass man als Geschäftsführer manchmal ein bisschen betriebsblind wird, und da hilft die Trend- und Zukunftsarbeit, den Horizont zu öffnen. Man muss sozusagen erstmal mit einem Zukunfts-Blick “fremd” auf das eigene Unternehmen schauen, um die Innovations-Möglichkeiten zu verstehen.

#bodenseeinnovativ: Wo ist das Thema im KMU am besten aufgehängt?

Horx-Strathern: Beim Chef, Eigentümer und der Führungsgruppe.

#bodenseeinnovativ: Welche Möglichkeiten haben insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), um sich ebenfalls mit dem Thema zu beschäftigen und sich von der Zukunft nicht überraschen zu lassen?

Horx-Strathern: Das hängt einzig und allein von der Neugier, Offenheit und dem Innovationswillen der Führung ab. Man könnte die Frage auch umdrehen: Am leichtesten ist es für diejenigen, die sich eben gerade von der Zukunft überraschen lassen wollen. Die also überraschungsfähig sind. Dafür gibt es eine Unmenge von Angeboten und Formaten, von Innovations-Workshops bis zu großen Trend-Events.

Zweiter Teil…

In unserem letzten Newsletter veröffentlichten wir den ersten Teil des Interviews mit Trendforscherin und Autorin Oona Horx-Strathern vom Zukunftsinstitut. Dabei ging es um das Thema „Die Rolle von Megatrends für KMU“. Lesen Sie nun den zweiten Teil des Interviews!

#bodenseeinnovativ: Das Zukunftsinstitut veröffentlicht jährlich die „Megatrend-Map“.

Horx-Strathern: Wir veröffentlichen jährlich eine aktualisierte “Megatrend-Map”, in der die jeweils aktuellen Mittel- und Kurzfrist-Trends, wahrnehmbare Phänomene, mit den langfristigen Megatrends verbunden sind. Das ist eine Art Orientierungssystem, eine Landkarte, die die Verbindungen zwischen verschiedenen Trends zeichnet, in einem ganzheitlichen System.

#bodenseeinnovativ: Betrifft jeder Megatrend alle Unternehmen gleichermaßen? Oder wie kann ein Unternehmen entscheiden, welche Megatrends auf das eigene Unternehmen und Geschäftsmodell wirken?

Horx-Strathern: Megatrends sind grundsätzlich universell. Wenn man eine regionale Wurstfirma ohne globale Ambitionen hat, dann ist Globalisierung natürlich weniger interessant, aber es lohnt sich trotzdem, sich von globalen Trends inspirieren zu lassen, sich mit ihnen auseinander zu setzen, auch wenn man nicht unmittelbar nutzen kann. Sie sind so etwas wie die Allgemeinbildung des Wandels.

#bodenseeinnovativ: Große Unternehmen beschäftigen ganze Abteilungen, die sich mit Trends, Megatrends und Innovationen auseinanderzusetzen…

Horx-Strathern: Allerdings führt das selten zu guten Ergebnissen. Die Gefahr bei internen Abteilungen ist nämlich, dass man immer nur das wahrnimmt, was man wahrnehmen möchte. Es gibt ja den schönen Satz: Für jemanden, der einen Hammer hat, wirkt die ganze Welt wie ein Nagel. Es entsteht meistens ein „Cognitive-Bias-Effekt“, indem man sich die Trends heraussucht, die das eigene Weltbild und Geschäftsmodell bestätigen. Wenn ein Auto-Unternehmen vor zehn Jahren den „Megatrend Diesel” ausgerufen hat, dann hat es immer nur Dieselmotoren produziert. Mit den bekannten Ergebnissen…

#bodenseeinnovativ: Welchen konkreten Nutzen bringen Megatrends kleinen und mittleren Unternehmen?

Horx-Strathern: Diese Frage ist ungefähr ähnlich wie die Frage „Was bringt uns das Wetter?”. Megatrends sind große, langfristige „Shifts“ in Gesellschaft, Kultur und Ökonomie. Sie sind Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte aktiv, wie etwa die Globalisierung, oder die Individualisierung, oder die Urbanisierung. Als solche sind sie eigentlich banal, jeder kennt sie.

Sie sind aber auch komplex, vielschichtig, interessant in ihren Auswirkungen. Sie haben ökonomische, kulturelle, soziale, aber auch mentale Aspekte. Sie erzeugen Turbulenzen, Gegen-Trends, die dann zu neuen Synthesen führen. Das kann man sehr schön an der Globalisierung erleben, die derzeit eine Gegenbewegung erlebt: den populistischen Nationalismus. Die Individualisierung erzeugt früher oder später wieder das Bedürfnis nach Gemeinschaft, sonst sitzen wir irgendwann alle einsam in Einzimmerwohnungen. Wenn alles digital geworden ist, entsteht garantiert wieder die Sehnsucht nach sinnlichen, haptischen Dingen. Das Wesen der Megatrends ist die Turbulenz, und manchmal ist es sogar eher sinnvoll, auf einen Gegentrend zu setzen, nämlich dann, wenn der Haupt-Trend übersättigt und überreif ist.

#bodenseeinnovativ: Können Sie uns von einem (oder mehreren) KMU berichten, wie sich diese mit Megatrends erfolgreich auseinandersetzen/gesetzt haben?

Horx-Strathern: Da könnte man Seiten schreiben, und an manchen dieser Prozesse hat das ZUKUNFTSINSTITUT mitgearbeitet. Beispiel 1: Die Rügenwalder Mühle, die vor fünf Jahren angefangen hat, Fleischersatzprodukte aus Pflanzen zu produzieren, damals noch sehr belächelt, heute ist das ein Riesentrend. Beispiel 2: ILife, eine Baufirma aus Aalen, die durch Trendarbeit neue Wohn- und Siedlungskonzepte entwickelt haben, in denen auch schon mal ein Hühnerstall zu finden ist – für Familienwohnmodelle. Ähnlich ist die mittelständische Firma Rhomberg Bau in Vorarlberg aufgestellt, die Digitalisierung und Hausbau auf einer ganz neuen Ebene kombinieren, für den effizient-ökologischen Bau der Zukunft. Es gibt aber auch kleinere Unternehmen, Apotheken, Maschinenbauer, Hotels, Restaurants, Handwerker, die eine unglaubliche Trend-Kraft entwickeln und ungewöhnliche Wege gehen. Auch hier ein Beispiel: Die Brunner Gmbh in Eggenfelden in Bayern, die ein wunderbares Design-Zentrum für den Holzofenbau entwickelt hat. Solche innovativen Firmen gibt es eben auch in der Provinz, vielleicht sogar ganz besonders da.

#bodenseeinnovativ: Gibt es einfache Tipps, Mittel oder Methoden, die Sie Geschäftsführern von KMU mit auf den Weg geben können?

Horx-Strathern: Nein. Außer vielleicht: Machen Sie eine Weltreise und besuchen Sie TED-Konferenzen. TED heißt “Technology, Entertainment and Design” und ist eine Organisation zur Präsentation von bahnbrechenden neuen Ideen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, es gibt da kein Schema.

Vielen Dank für das Interview.

 

Es gibt keinen leichten Weg. Aber mit der Veranstaltung am 06.11.2019 rund um das Thema Megatrends gehen wir von #bodenseeinnovativ mit Ihnen diesen Weg gerne gemeinsam! Wir freuen uns auf Sie!

Quelle: Zukunftsinstitut